Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Fürstenfeldbruck – Einst lernte dort des Führers Piloten-Nachwuchs das Fliegen, heute sind dort auch Asylbewerber untergebracht. Er galt als „Wiege der (Bundes)Luftwaffe“ und war Schauplatz einer dramatisch missglückten Geiselbefreiung. Wo früher Tornados zum Start rollten, üben heute Autofahrer das Lenken bei schwierigen Bedingungen. Es ist unklar, welche Altlasten an Munition und Treibstoffen noch im Boden lagern, aber große Teile des Geländes sind ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang. Mit der bewegten Geschichte des Fliegerhorst Fürstenfeldbruck ließen sich Bände füllen. Wie seine Zukunft nach dem Abzug der Bundeswehr als neuer, ziviler Stadtteil aussehen könnte, ist dagegen ungewiss.

 

Warum 1935 die Äcker und Wiesen zwischen Bruck und Maisach als Standort eines großen Flugplatzes ausgesucht wurden, weiß man nicht mehr. In der sogenannten Hasenheide wünschten sich zwar nicht mehr Fuchs und Hase gute Nacht – auf einer Rasenbahn hatten dort schon zuvor einige Hobbyflieger abgehoben. Aber flaches Gelände gab es überall um das Rüstungszentrum München. Eine Tarnorganisation namens „Deutsche Luftverkehrs- und Handelsgesellschaft“ kaufte jedenfalls den Grund auf, denn eine deutsche Luftwaffe durfte es laut Versailler Vertrag noch nicht geben. Mehrere Grundbesitzer wurden auch enteignet, was deren Nachfahren 60 Jahre später – ohne Erfolg – noch einmal auf den Plan rufen sollte.

 

Innerhalb von zwei Jahren entstand die „Luftkriegsschule IV“, eine von mehreren im ganzen Reich. Bis zu 2000 Arbeiter rodeten 40 Hektar Wald, bauten Kilometer an Straßen und Eisenbahngleisen. Bis 1940 wurden über 20 Millionen Reichsmark verbaut. Es entstanden Unterkünfte wie der (nur 820 Meter lange) „Kilometerbau“, Schulungsräume, Hangars und eine festgewalzte Rasenpiste von knapp 1000 Metern als Start- und Landebahn. Vor allem außerhalb des Geländes wurden Offiziersvillen und Wohnungen gebaut. Maßgeblicher Planer war der damalige Stararchitekt Ernst Sagebiel, der auch das Reichsluftfahrtministerium in Berlin und den dortigen Flughafen Tempelhof entworfen hatte.

 

An Geld musste offenbar nicht gespart werden, es entstand eine aufwändige, städtebaulich durchaus anspruchsvolle Anlage mit einigen Repräsentationsbauten. Außerdem gab es eigene Wasser- und Energieversorgung, Schwimmbad und Sportanlagen. Für die feindliche Luftaufklärung sollte das Ganze wohl wie eine zivile Siedlung wirken, vielleicht auch deshalb wurde auf jede NS-Symbolik verzichtet. Nur eine kleine Anpflanzung in Form eines Hakenkreuzes soll es gegeben haben.

 

Tausende von Piloten, darunter auch der spätere Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl, lernten in Fürstenfeldbruck das Fliegen, auf kleinen Maschinen, sogar alten Doppeldeckern und – mit zunehmendem Treibstoffmangel – auch Segelflugzeugen. Bis auf die ersten Monate und die letzten Wochen des Krieges blieb der Fliegerhorst eine reine Ausbildungsstätte ohne Kampfverbände.

 

Mit der alliierten Lufthoheit ab 1943 konnte aber auch das Training zum Himmelfahrtskommando werden, mehrere junge Piloten wurden abgeschossen. Erst in jenem Jahr wurde die Start- und Landebahn asphaltiert und verlängert. So war sie auch für die neuen Düsenjäger vom Typ Messerschmitt 262 geeignet. Einige dieser damaligen High-Tech-Maschinen sollen in den letzten Kriegswochen getarnt auf dem Flugplatz gestanden haben, inwieweit sie noch zum Einsatz kamen, ist ungewiss. Eine Quelle berichtet außerdem, dass im April 1945 noch Rammjäger des „Sonderkommandos Bienenstock“ stationiert gewesen sein sollen – das letzte Aufgebot von Kamikaze-Piloten.

 

Den Alliierten galt der schon mehrfach von der Luftaufklärung fotografierte Fliegerhorst entweder als unbedeutend oder als Attrappen-Flugplatz. Bis zum Nachmittag des 9. April 1945, als 139 amerikanische „Fliegende Festungen“ über 300 Tonnen Bomben abwarfen. Startbahn, Rollwege und viele technische Einrichtungen wurden zerstört. Die Ausbildungsräume und Unterkünfte blieben hingegen praktisch unversehrt. Dafür wurden das Hauptgebäude des südlich angrenzenden Gut Felden und ein Wohnhaus in Gernlinden in Schutt und Asche gelegt. In Gernlinden gab es auch ein Todesopfer. Der Ausbildungsbetrieb war schon am 1. Januar eingestellt worden, die verbliebenen Soldaten wurden im April in den Osten verlegt, wo sie im „Erdkampf“ Verwendung finden sollten. Am 29. April besetzten amerikanische Truppen den verlassenen und von der Bevölkerung geplünderten Fliegerhorst. Am Rande des Geländes, schon auf Emmeringer Flur, entsteht damals für einige Monate ein improvisiertes Kriegsgefangenenlager. Bis zu 40 000 Wehrmachtsangehörige waren hier inhaftiert.

 

Fursty statt Reichsluftkriegsschule 

 

Fast übergangslos nutzten die alliierten Besatzer den Flugplatz. Zunächst kümmerte sich ein Pionierbataillon um die Instandsetzung, ab Juli 1945 war ein Jagdgeschwader stationiert. Nach und nach entstand ein „little America“, das von der Außenwelt ähnlich unabhängig war wie zuvor der deutsche Luftwaffenstützpunkt. Aus dem unaussprechlichen Namen Fürstenfeldbruck wurde ein kurzes „Fursty“. Die Amerikaner bauten neue Wohnhäuser, eine Schule mit Kindergarten und erstmals eine größere Kapelle für alle Glaubensgemeinschaften.

 

Mit den Jahren wich das anfangs frostige Verhältnis zur deutschen Umgebung einem partnerschaftlicheren Miteinander. Die US-Air-Force organisierte gemeinsame Jugendsportfeste und Hilfsaktionen für bedürftige Kinder. Und bis heute wird an einen amerikanischen Piloten erinnert, der sein Leben opferte, um die Stadt vor einer Katastrophe zu bewahren: Bereits kurz nach dem Start am 5. April 1957 bekam Captain Richard Higgins Triebwerksprobleme, er missachtete einen Ausstiegsbefehl und steuerte seine rapide an Höhe verlierende Thunderbreak noch über den westlichen Stadtrand hinaus. Als er dort erst den Schleudersitz auslöste, war es zu spät, um mit dem Fallschirm noch sicher zu landen.

Zuhause unterm Himmelzelt

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