Stochern im Dunkeln – Feiern im Hellen

Stochern im Dunkeln – Feiern im Hellen

Fotos: Corinna Eichberger-Renneisen, Text: Christoph Bergmann

 

Es war – soweit man weiß – die einzige Schlacht, die je im Landkreis ausgetragen wurde. Das Gefecht beendete den „Bayerischen Krieg“ und schuf eine der Grundlagen für die Wiedervereinigung von vier oft verfeindeten Herzogtümern. Die Sieger ließen am Rande des Schauplatzes später ein Kirchlein errichten, das angeblich auf ein Gelübde zurückging: Demnach versprach einer der Kriegsherren diese Stiftung, falls sein in Bedrängnis geratener Sohn den Kampf heil überstehen würde. Ein monumentales, gut erhaltenes Fresko aus dieser Zeit zeigt immer noch einige der siegreichen und dankbaren Teilnehmer des Gefechts. Nur ein Problem gibt es mit dieser „Schlacht bei Alling“ am 19. September des Jahres 1422: Eigentlich weiß niemand, was genau damals passiert ist. Aber 600 Jahre danach bemüht sich ein Arbeitskreis beim Historischen Verein des Landkreises um späte Aufklärung.

 

Die Kapelle erhielt 1467 ein Mess-Benefizium für die Kriegsopfer und die Stifter und damit einen eigenen Geistlichen, für den nebenan ein Wohnhaus errichtet wurde. Dieser Benefiziat überdauerte die Jahrhunderte und bestand bis 1824. Die Kirche ist heute in staatlichem Besitz und denkmalgeschützt. Neben dem monumentalen Bild gibt es weitere Waldmalereien, die aber irgendwann übertüncht wurden. Einmal im Jahr findet eine Mai-Andacht statt, in den Sommermonaten ist die Kirche jeden ersten Samstag für Besichtigungen geöffnet.

Seit längerem gesichert ist, dass in diesem Herbst des dritten Kriegsjahres der Konflikt zwischen den Herzögen von Ingolstadt, Landshut und München – auch Bayern-Straubing gab es noch, spielte aber bei diesen Auseinandersetzungen keine Rolle – in den letzten Zügen lag. Worum es ging? Vermutlich Territorialansprüche, Geld oder familiäre Aversionen unter den Wittelsbachern oder alles zusammen. Als Hauptschuldiger gilt heute Ludwig VII. von Ingolstadt. Die Ingolstädter fühlten sich bei den vorangegangenen Landesteilungen über den Tisch gezogen. Ludwig selbst versuchte, sein zersplittertes Territorium zu erweitern, kaufte auch rund um München Stützpunkte wie etwa die Veste Nannhofen. Zudem hielt er sich wohl für etwas Besseres als seine Vettern in der Provinz. Seine Schwester war die Frau des zunehmend geisteskranken französischen Königs, er selbst hielt sich lange in Frankreich auf, war für einige Zeit wohl de facto Regent des Landes und brachte es dort zu zwei – sehr ertragreichen – Heiraten. Der „Gebartete“, wie er wegen seiner nach damaliger französischer Mode üppigen Gesichtsbehaarung genannt wurde, hielt sich selbst einmal für den „ältesten und würdigsten“ unter den bayerischen Fürsten.

 

Die drei Münchner Herzöge sind auf der linken Seite zus ehen, die zu Füssen der Madonna knien, um sich für den Sieg in der Schlacht zu bedanken. So zumindest sagt es die früheste Chronik. Erst später kam die Version auf, dass Herzog Ernst damit (auch) der Errettung seines Sohnes Albrecht aus Todesgefahr in der Schlacht gedenken wollte.

Als großer Feldherr erwies er sich aber nicht. Im Herbst 1422 waren seine wichtigsten Stützpunkte zerstört, sein eigenes Territorium teilweise verwüstet. Der Vorstoß der Ingolstädter auf München war vermutlich der letzte Versuch, das Blatt noch einmal zu wenden oder wenigstens günstigere Friedensbedingungen zu erreichen. Ob die Stadt tatsächlich eingenommen werden sollte oder nur belagert und ausgehungert oder darauf spekuliert wurde, dass die Münchner Bürger – Kaufleute und Handwerker – sich gegen ihren eigenen Herzog erheben würden, ist wie so vieles ungewiss. Ludwig selbst nahm an dem Feldzug offenbar gar nicht teil.

 

Seine Truppen – wohl nicht mehr als einige hundert Berittene und Fußvolk, verstärkt durch Bauern-Kontingente – sollen in der Nacht vor der Schlacht die Dörfer Gauting und Pasing niedergebrannt haben, möglicherweise auch Aubing und Germering. Nach Erkenntnissen des Arbeitskreises ging auch Alling in Flammen auf, dann aber als letzte Ansiedlung. Denn möglicherweise waren die Ingolstädter zu diesem Zeitpunkt schon auf der Flucht vor den sie verfolgenden Münchnern, angeführt von den Herzogsbrüdern Ernst und Wilhelm. Auch die hatten wohl kein größeres Söldner-Heer als ihre Gegner, wurden aber von bewaffneten Münchner Bürgern unterstützt. Die heutigen Brucker Historiker vermuten, dass die Münchner am Abend des 18. September am Parsberg lagerten, die Ingolstädter in Sichtweite am Hoflacher Berg, dem ersten Anstieg aus der Schotterebene auf die Amper-Moräne.

 

Wo genau es zum Gefecht kam, lässt sich nicht rekonstruieren. Das Moos am Starzelbach war wohl eher noch ein richtiges Moor und auch nach einem trockenen Sommer kaum passierbar, der Weg von Puchheim nach Bruck führte über den heutigen Allinger Ortsteil Holzkirchen. Und möglicherweise kam es am frühen Morgen des 19. auf dieser Ortsverbindung zum neuerlichen Aufeinandertreffen der Gegner. Ob ganze Scharen miteinander fochten oder nur einzelne Zweikämpfe ausgetragen wurden, lässt sich nicht sagen, aber das Ergebnis war klar: Die Ingolstädter – wohl eher panisch als auf geordnetem Rückzug – traten die Flucht an und das nicht etwa in die Hügel Richtung Bruck, sondern ins Sumpfland, wo sie nicht weiter kamen. Nicht nur die Ritter in ihren schweren Rüstungen blieben demnach stecken, sondern auch viel gemeines Fußvolk. In den wenigen zeitnahen Quellen der Ereignisse findet sich diese wilde Flucht allerdings nicht. Nach der Geschichtsschreibung der Sieger sollen die Münchner 400 Gefangene gemacht und selbst nur einen Gefallenen zu beklagen gehabt haben. Der Feldzug war jedenfalls ebenso entschieden wie der gesamte Krieg.

 

Bei all dem stochert man aber ziemlich im Dunklen. Der Arbeitskreis durfte zwar Einsicht ins Hausarchiv der Wittelsbacher nehmen, schließlich ist der Kaltenberger Prinz Luitpold Schirmherr des großen Jubiläumswochenendes im kommenden September. Aber soweit ersichtlich, gibt es keinerlei Bestätigung für die Ereignisse, was einen Historiker schon vermuten ließ, dass es gar keine größere, überliefernswerte Schlacht gab. „Das einzige, was wir wirklich haben, ist die Kapelle“, sagte Anna Ulrike Bergheim, die Vorsitzende des Historischen Vereins. Und auch von diesem Kirchlein im Weiler Hoflach, fast direkt neben der Bundesstraße, kennt man kein Gründungsdatum, keinerlei Urkunde zum Bau. Dabei, so die bisherige Meinung, soll sie kurz nach der Schlacht von Herzog Ernst gestiftet worden sein, der damit für die erstaunliche Rettung seines Sohnes Albrecht aus dem Kampfgetümmel danken wollte. Der ungestüme junge Herzog stürzte demnach mit seinem verletzten Pferd inmitten der Feinde, der Papa und wohl einige Getreue schlugen den Junior wieder raus.

 

Eine Legende, vermuten die heutigen Schlacht-Forscher, die einer anderen Spur nachgehen. Der Herzogssohn hatte nämlich Jahre später ein Verhältnis mit einer Baderstochter namens Agnes Bernauer, die er möglicherweise zur Frau nahm oder wenigstens nehmen wollte. Vater Ernst beendete diese nicht standesgemäße Liaison auf drastische Weise und ließ die Bernauerin, das „böse Weib“, wie er sie genannt haben soll, 1435 in der Donau ertränken. Das Schicksal der armen Frau beschäftigte später noch viele Literaten, vom Allinger Dorfschullehrer Joseph Schnell, der ein „historisches Thatengemälde mit Anmerkungen für die vaterländische Schuljugend“ reimte bis zu Friedrich Hebbel und seinem sehr viel bekannteren Drama. Aber Albrecht tröstete sich recht schnell über den Verlust, versöhnte sich mit seinem Vater und heiratete schon im Jahr darauf die adelige Anna von Braunschweig. Die Wandmalerei wie vielleicht auch das gesamte Kirchlein, könnten demnach erst in dieser Zeit entstanden sein, vermutet der Allinger Arbeitskreisleiter Manfred Amann, und sie hätten mithin eher an die Versöhnung von Vater und Sohn erinnern sollen als an die wundersame Rettung des jungen Fürsten aus höchster Not. Das Bild zeigt in der Tat keine Kampfszene, sondern die drei knienden Herzöge vor der Heiligen Sippe. Dass daneben außer Rittern aber auch Münchner Patrizier, erkennbar an ihren Familienwappen, breiten Raum einnehmen, lässt auf deren Bedeutung bei der Schlacht schließen.

 

Wie auch immer: Die Kapelle erhielt 1467 ein Mess-Benefizium für die Kriegsopfer und die Stifter und damit einen eigenen Geistlichen, für den  nebenan ein Wohnhaus errichtet wurde. Dieser Benefiziat überdauerte die Jahrhunderte und bestand bis 1824. Die Kirche ist heute in staatlichem Besitz und denkmalgeschützt. Neben dem monumentalen Bild gibt es weitere Waldmalereien, die aber irgendwann übertüncht wurden. Einmal im Jahr findet eine Mai-Andacht statt, in den Sommermonaten ist die Kirche jeden ersten Samstag für Besichtigungen geöffnet.

 

Heuer soll im letzten September-Wochenende der 600. Jahrestag des Gefechts nahe Hoflach ausgiebig begangen werden. Geplant sind ein großer Mittelalter-Markt neben der Sporthalle, Umzüge, Nachstellungen der Schlacht im Sandkasten und mit Kämpfern der Straubinger Agnes-Bernauer-Festspiele. Außerdem sollen Funde von damals ausgestellt werden – wenn sie denn wieder auffindbar sind. Laut einer älteren Chronik sollen bei einer Grabung einmal Rüstungsteile und sogar ein Schwert gefunden worden sein. Und einige Hieb- und Stichwaffen dienten wohl als Dekoration einer ehemaligen Eichenauer Apotheke. Sie sind aber auch schon seit mindestens 20 Jahren verschollen.    Christoph Bergmann  

 

Am Freitag, 23. September, wird anlässlich des 600. Jahrestag des Gefechts nahe Hoflach eine Ausstellung in der Sporthalle eröffnet. Der geplante Mittelaltermarkt wurde kurzfristig aus organisatorischen Gründen auf den 10. und 11. Juni 2023 verlegt.

 

Der große Blonde mit dem schnellen Schulterwurf

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Gesegnetes Brauchtum

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