Das Bayerische Bozen – Adelshofen

Das Bayerische Bozen – Adelshofen

Fotos: Corinna Eichberger-Renneisen – Text: Ricarda Traub

 

„Und dann braucht man ja auch noch Zeit, um einfach nur dazusitzen und vor sich hinzuschauen“. Wie recht Astrid Lindgren doch hatte. Eine der beiden Bänke am Adelshofener Dorfweiher bietet sich hierfür ganz wunderbar an. Die noch zarten Sonnenstrahlen der milden Frühlingssonne kitzeln sachte das Gesicht, die Vögel zwitschern fröhlich in den Bäumen, die Enten quaken und plantschen ausgelassen auf dem Wasser, auf dessen Überfläche sich eine milde Brise umhüllt das Gemüt. Und wäre diese friedvolle Kulisse nicht schon (kitschig) genug, wird man noch mit dem unverbauten Blick auf die St.-Michaels-Kirche mit ihrem hübschen gelben Türmchen auf das einstige Schlossgrundstück – heute der grüne Mittelpunkt des Ortes – belohnt. Welch Idylle!

 

„Hallo!“, tönt es schon von Weitem. Kinder auf dem Fahrrad heben winkend die Hand, fahren lachend weiter und sind schon bald auf einem der sich windenden Feldwege verschwunden. Wie schön, wenn man an einem so hübschen Ort auch noch freundlichen und aufgeschlossenen Menschen begegnet.

 

Jyoti G. Grüner ist eine von ihnen. Seit zwölf Jahren lebt sie in Adelshofen und genießt nach Aufenthalten in Bali, Indien und München die Ruhe auf dem Land. „Hier habe ich Ziegen als Nachbarn, einen tollen Blick über die Felder, kann spazieren und garteln“, sagt die 72-Jährige. Von einer überregionalen Zeitung wurde sie einmal als „Orakel von Adelshofen“ betitelt. Vor allem deshalb, weil sie unter ihrem spirituellen Namen „Jyoti“ Menschen aus der Hand liest und ihnen die Karten legt. Eines weiß sie ganz ohne Tarot & Co: „Das Vereinsleben hier ist sehr ausgeprägt.“ Bei Kaffee mit Kardamom erzählt sie, dass es neben dem Burschenverein, der Landjugend, einer Blaskapelle oder der Freiwilligen Feuerwehr auch einen Krieger- und Soldatenverein, einen Gesangsverein und natürlich den Sportverein gibt.

 

Ganz schön was los hier, im „Bayerische Bozen“. Moment mal? Bozen? Warum denn das? Diese Bezeichnung geht wohl auf Ulrich den IV. von Adelshofen zurück. Mit einer Südtirolerin verheiratet, ließ er von deren Bozener Verwandtschaft Obstbäumchen bringen und pflanzte diese rund um das Schloss an. Den netten Beinamen hat das Dorf zudem wegen der hervorragenden geologischen und klimatischen Voraussetzungen und dem damit gelingenden Obstanbau. Und der gelingt so was von! Vor allem seit 1996 auf 7000 Quadratmetern im Kreislehrgarten. Neues pflanzen und für den Erhalt fast vergessener Obstsorten sorgen ist das Hauptanliegen. Im Frühling bilden die zahlreichen Apfel-, Birnen- und Kirschbäume hier, wie auch in den privaten Gärten und den umliegenden Streuobstwiesen: ein herrliches Blütenmeer in Weiß und Zartrosa, das in saftig grünen Wiesen mit Gänseblümchen und Löwenzahnblüten gebettet ist.

 

Würde es noch in seinen Grundmauern existieren, würde sich das um 1500 erstmals erwähnte Schloss in das idyllische Gesamtbild von Adelshofen einfügen. Das einstige Schlossgrundstück ist bis heute mit Kirche, Kloster und Kindergarten der grüne Mittelpunkt des Ortes. Der Schlossplatz nahm etwa 70 mal 70 Meter ein, der das Gebäude umgebende Wassergraben war etwa 13 Meter breit. Aus den Händen der Fugger und über eine Wittelsbacher Witwe erstand 1833 ein Bauer und Weber aus Nassenhausen den imposanten Bau. Er ließ alles bis auf das Schlossrichterhaus abreißen. 1845 erwarb Maria Theresia Gerhardinger – Gründerin der „Armen Schulschwestern unserer Lieben Frau“ und inzwischen seliggesprochen – das gesamte Areal und eröffnete eine Mädchenschule. Fortan wurden die Mädchen von den Ordensfrauen unterrichtet, die Buben von einem Lehrer im späteren Rathaus. Ein ursprüngliches Nebengebäude, das Wohnhaus des Gutsverwalters, und die Brücke über den ehemaligen Schlossgraben existieren heute noch – auf der Streuobstwiese mitten im Ort.

 

Zu einem funktionierenden Gemeindeleben gehört natürlich ein bisschen Tratsch. In der Ortsmitte ziert ein Wohnhaus noch die Aufschrift „Gasthaus“. „Man munkelt, der ehemalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß hätte sich hier immer zum Schnapseln getroffen“, verrät Jyoti, „aber psssst! Alles nur ein Gerücht.“

 

Steckbrief Adelshofen

Lage

Umgeben von Wald und einer Hügellandschaft, grob zwischen Nassenhausen und Jesenwang, etwa elf Kilometer westlich von FFB

Einwohner

1.857

Namensherkunft

Erstmals zwischen 1158 und 1162 urkundlich als Adelungeshouen (Hof des Adalunc) erwähnt. Eine 1986 gefundene Reibschale aus dem 3. Jahrhundert weist darauf hin, dass die Gegend wohl schon früher besiedelt war.

Sehenswürdigkeiten

Das Kriegerdenkmal mit der Figur des heiligen Michael wird von zwei uralten Linden gesäumt. Hier führte 1945 der „Todesmarsch“ von Häftlingen des Konzentrationslagers bei Kaufering nach Gauting vorbei.

Hofmarksherr Ulrich Adelshofer ließ die katholische Kirche St. Michael 1452 im gotischen Stil erbauen. Unter Graf Alexander Fugger wurde sie 1605 erneuert, bei der Renovierung im Jahr 1837 wiederum um die barocke Kirchenausstattung gebracht und erweitert. 1910 erhielt sie einen neuen Kirchturm – der alte hielt dem Gewicht von drei Glocken nicht mehr stand. erbaut und über die Jahrhunderte hinweg immer wieder erneuert.

Der Anfang des 19. Jahrhunderts errichtete Pschorrhof beherbergt heute das Rathaus, der gegenüberliegende „Pschorrstadl“ wird von Familie Merk geführt und für Hochzeiten, Familienfeiern, Firmenveranstaltungen und Ähnliches genutzt.

Spazierwege, Radtouren und Aktivitäten

Nur ein Katzensprung entfernt ist der Flugplatz Jesenwang – Hin spazieren oder radeln, Eis essen und bei Start und Landung zusehen.

Schöne Feldwege Richtung Mammendorf, Nassenhausen oder Römersthofen mit einem guten Blick auf Sonnenauf- und untergang

Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr

Buslinie 822 nach FFB bzw. Mammendorf

Buslinie 823 nach FFB bz. Dünzelbach

Ab 5 bis ca. 22 Uhr alle 40 Minuten

Kein Betrieb an Sonn- und Feiertagen

 Wegbegleiterin in der Trauer

Wegbegleiterin in der Trauer

Mit (Un-)Geduld und Spürsinn

Mit (Un-)Geduld und Spürsinn