Wie der Phönix aus der Asche - 66 Jahre Gröbenzell

Wie der Phönix aus der Asche - 66 Jahre Gröbenzell

Einst galt sie als deprimierende Gegend aus nassen Wiesen und Röhricht – heute gehört sie zu den besten Wohnlagen in der Region. Früher hausten die ersten Siedler in elenden Schilfhütten – inzwischen nennt sich der Ort mit den großen Grundstücken und den vielen Villen nicht zu Unrecht „Gartenstadt“. Gröbenzell ist neben Bruck, Eichenau und Gernlinden eine der wenigen Ansiedlungen im Landkreis, die nicht von der Landwirtschaft geprägt wurden. Und sie ist nach Eichenau die zweitjüngste Gemeinde im Kreis. Erst seit 66 Jahren ist Gröbenzell eigenständig. Ein Rückblick.


Groß gefeiert wurde die GEmeindeerhebung am 1. August 1952 vor und in der alten Bahnhofswirtschaft. Allerdings waren nicht alle Bürger glücklich.

Groß gefeiert wurde die GEmeindeerhebung am 1. August 1952 vor und in der alten Bahnhofswirtschaft. Allerdings waren nicht alle Bürger glücklich.

Im Jahr 1570 wurde an dem damals neuen Weg zwischen Lochhausen und Olching, mitten im Moor, ein Straßenwärterhäuschen für einen „Gröbenhüter“ errichtet. Seine Aufgabe bestand besonders darin, den fischreichen „Gröben“ (bach), ein dem Kurfürsten gehörendes Gewässer, vor unbefugten Anglern zu schützen. Erst später kam eine Zollschranke, eigentlich eine Mautstation dazu. Der Aufseher, zu dessen Besoldung alle ein bis zwei Jahre „ein Paar Wasserstiefel“ gehörte, war der erste und für drei Jahrhunderte einzige Gröbenzeller. Erst ab den 1850er-Jahren begann ein Nürnberger Unternehmer hier im Moos mit dem Abbau von Torf, einem damals wichtigen Brennstoff. Die Taglöhner wurden vor allem aus der Oberpfalz geholt, ein rauer Menschenschlag schien für die raue Gegend besonders geeignet. Einige von ihnen blieben über die Zeit der Torf-Gewinnung hinaus.

Aber erst, als 1898 der Bahnwärterposten Nummer 5 zum Haltepunkt „Gröbenzell“ wurde und ab 1903 eine Regulierungsgenossenschaft mit Bachbegradigung und Moor-Entwässerung begann, kamen auch andere Siedler in die noch einsame Gegend. Der Grund war sogar für kleine Leute erschwinglich. Die Bessergestellten fanden hier Platz für ein Wochenendhäuschen mit riesigem Garten. Eine Entwicklung, die sich im Ersten Weltkrieg verstärkte, als viele Städter Gemüsebeete zur Selbstversorgung anlegten und Tiere hielten. Auch einige dieser sogenannten „Rucksack-Münchner“ (weil sie Bauholz und Proviant mitschleppten) lernten die Idylle schätzen. Aus den Lauben wurden langsam Blockhütten, aus Blockhütten schließlich Wohnhäuser.

Ein Wahrzeichen wurde am 1925 die kathlische Kirche im Ort, um die sich auch die Häuser formierten.

Ein Wahrzeichen wurde am 1925 die kathlische Kirche im Ort, um die sich auch die Häuser formierten.

Stürmisch ging es in den 1920er-Jahren weiter. 1922 eröffnete das (noch 40 Jahre bestehende) erste Kaufhaus. 1925 wurde die katholische Notkirche, eine Offiziersbaracke aus dem Puchheimer Kriegsgefangenenlager, von einem steinernen Neubau abgelöst. Zur gleichen Zeit gab es übrigens schon evangelische Gottesdienste im ebenfalls neuen Schulbau. 1929 eröffneten die „Gröben-Lichtspiele“, damals noch im Saal der Bahnhofwirtschaft, die 1927 neu gebaut worden war. Ganze Reihenhaus-Kolonien entstanden an der Augsburger- und Alpenstraße. Das „Eigenheim in der Gartenstadt“ für 12 900 Reichsmark gab es in zwei Versionen, wie ein Prospekt aus den frühen 1930er-Jahren verrät: ohne Dachvorsprung (Modell Vorstadt) oder mit (Form Oberland).

Geschichte ist das alte Rathaus, das in den 1950er-Jahren gebaut wurde.Es wird gerade durch einen Neubau ersetzt.

Geschichte ist das alte Rathaus, das in den 1950er-Jahren gebaut wurde.Es wird gerade durch einen Neubau ersetzt.

Der Ort hatte schließlich eine Mitte um Kirche und Schule – aber keine Grenzen. Denn die neue Siedlung gehörte zu nicht weniger als fünf Gemeinden. Der flächenmäßig größte Teil östlich des Gröbenbachs war Teil von Aubing und Langwied. Die meisten Gröbenzeller lebten auf der anderen Seite und waren Olchinger. Einige Häuser im Norden lagen auf Geiselbullach-Graßflinger Flur und an der Alpenstraße reichte die Bebauung bis nach Puchheim. 1924 scheiterte ein erster Antrag auf Selbstständigkeit bei der Regierung. Nach dem Krieg aber nahm der Unabhängigkeitskampf wieder Fahrt auf. Allerdings stand eine Zeit lang auch noch eine Teilung entlang des Gröbenbachs in zwei Ortshälften im Raum: Der Osten wäre in den nun Münchner Stadtteilen Aubing und Langwied geblieben. Nur aus dem Westen wäre Gröbenzell geworden. Dies wäre einem großen Teil der Münchner Gröbenzeller durchaus recht gewesen: Den Ort hätten vor allem Münchner besiedelt und die große Stadt würde sich um ihre Moosler besser kümmern als eine arme, kleine Gemeinde, argumentierten sie. Die Anhänger der Eigenständigkeit widersprachen: Die kriegszerstörte Stadt habe Wichtigeres zu tun als sich um ihren abgelegenen Außenposten zu sorgen. Außerdem seien die Steuern in München höher.

Etwa um 1920 war Gröbenezll noch sehr übersichtlich  …   (Fotos: Archiv Gröbenzell und Gröben Hüter)

Etwa um 1920 war Gröbenezll noch sehr übersichtlich … (Fotos: Archiv Gröbenzell und Gröben Hüter)

Eine Volksabstimmung 1950 zeigte ein deutliches Ergebnis: 65 Prozent der Befragten stimmten für eine eigenständige Gemeinde, wie sie dann am 1. August 1952 Wirklichkeit wurde. Die Teilung des Ortes war zwar vermieden, die Freude war aber geteilt. Beim feierlichen Festakt ein Jahr nach der Gemeindegründung sah der anwesende bayerische Innenminister schwarze Fahnen aus den Häusern der München-Anhänger wehen. Der „Münchner Block“ erreichte bei der folgenden ersten Gemeinderatswahl sogar noch die Hälfte der 16 Mandate. Die „ausquartierten Städter“ fügten sich aber mit der Zeit in ihr dann doch gar nicht so schweres Schicksal. Nur einige Kuriositäten erinnern heute noch daran, dass Gröbenzell eine künstliche Spätgeburt ist: Die beiden Anwesen auf Münchner Flur, die nur über eine Gröbenzeller Straße zu erreichen sind. Oder die Staatsstraße durch den Ort, die nur dort „Olchinger Straße“ heißt, wo sie nach München führt. In Richtung Olching trägt sie den Namen Augsburger Straße.

Nach der Aufbauphase in den 1950er-Jahren folgte in den beiden Jahrzehnten danach eine Bevölkerungsexplosion. Riesige Wohngebiete im noch relativ freien Südosten entstanden, die Einwohnerzahl verdoppelte sich in zehn Jahren ab 1962 auf 14 000. Nach und nach veränderte sich auch das Gesicht der Ortsmitte: Die wunderschöne Pappelallee, Stolz vieler alter Gröbenzeller, musste einer autogerechten Kirchenstraße weichen. Anstelle der alten Bahnschranke entstanden zwei Beton-Unterführungen für Fußgänger und Autos. Gerade die heutige Kirchenstraße zeigt, dass nicht alles, was im Funktionalitäts- und Machbarkeitsglauben dieser Zeit entstand, auch zeitlos schön ist. Aber mit den Jahren drängten immer mehr Gröbenzeller darauf, wenigstens das aus den Gründerjahren zu erhalten, was noch nicht wirtschaftlichen Interessen geopfert war. So blieb der Alten Schule, heute Gaststätte und Museum, der Abriss erspart. In der Bahnhofstraße setzten die Bürger per Abstimmung Grenzen für die Neubebauung. Immer noch gekämpft wird um den Erhalt der alten Bahnhofswirtschaft, der legendären „Hexe“. Und ebenfalls per Bürgerentscheid setzten die Bewohner der am dichtesten besiedelten Gemeinde im Landkreis gegen den Willen der örtlichen Politik durch, dass die Gartenstadt nicht auch offiziell zur „Stadt“ erklärt wurde. Die alte Moossiedlung heißt seit 1952 und erst einmal auch weiterhin „Gemeinde“.

Christoph Bergmann

Gröbenzeller Allerlei

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Zug um Zug

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