EIN STÜCK HEIMAT   

EIN STÜCK HEIMAT  

Die Zeit steht still. Irgendwo in der Kindheit, als man seine zwei Pfennige Taschengeld zum Laden um die Ecke trug, um sie in ein saures Brausestäbchen oder eine Kaugummikugel einzutauschen. Manchmal hatte man auch den zerknautschten Einkaufszettel der Mama in der feuchten Hand. Den reichte man der netten Frau an der Theke, die in ihren Regalen einfach alles hatte, was man so braucht. Zum Kochen. Zum Putzen. Zum Spielen, zum Naschen und zum Arbeiten. Brausestäbchen für zwei Pfennige gibt es schon lange nicht mehr, wohl aber die nette Frau hinter der Theke. Kunigunde Pentenrieder heißt sie, und sie steht in Unterschweinbach in vierter Generation in dem ältesten und noch immer selbständigen Dorfladen im Landkreis.

 

„Gemischtwaren Pentenrieder“. In antiken Lettern steht der Name über den Schaufenstern. Liebevoll –  je nach Jahreszeit – sind sie dekoriert und geben den Blick frei in den Laden. Wie mit dem Lineal gezogen stehen hier in den hohen Regalen die Waren. Ordentlich sortiert und übersichtlich. Und erstaunt wird schnell klar: Was es hier nicht gibt, braucht man eigentlich nicht wirklich. Kunigunde Pentenrieder lächelt zufrieden.

Die Geschichte „ihres“ Dorfladens reicht weit zurück. 1902 hatte der Ur-Großvater ihres Mannes Hans Pentenrieder, der bis heute nur unter dem Hausnamen „Seil“ bekannt ist, das Geschäft neben seiner Landwirtschaft eröffnet. Etwas weiter unterhalb beim Gasthaus war das. Als der Ur-Großvater im Ersten Weltkrieg fiel, übernahm der Sohn. „Der war damals erst in der sechsten Klasse“, erzählt der Ur-Enkel Hans Pentenrieder. Sein Vater wiederum folgte und verlegte das Geschäft um 1946 an seinen jetzigen Standort. Überdauert hat aus dieser Zeit die gesamte Einrichtung. Nur die Theke hat Hans Pentenrieder, der mit seiner Frau 1998 den Laden übernahm, „mal aufgefrischt“.

 

Der Gemischtwarenladen ist nicht nur für die beiden ein Stück Heimat. Für die älteren Generationen, Familien und Berufstätige ist er zudem ein wahrer Segen: Denn plus-minus neun Kilometer sind es bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit, egal in welcher Richtung und zu welchem Ort. Wochentags bereits um 6.30 Uhr schließt Kunigunde Pentenrieder ihren Laden auf. Lediglich Donnerstag- und Montagnachmittag hat sie geschlossen. Dann kauft die nimmermüde 65-Jährige persönlich in München auf dem Großmarkt Waren ein, was ihr nicht die umliegenden Landwirte und der Bäcker liefern können. „Ich will sehen, was ich meinen Kunden verkaufe“, begründet sie ihre Weigerung, sich beliefern zu lassen.

 

Ihr Einkaufsladen ist außerdem mehr als „nur“ ein Grundversorger, der auch Schreibwaren, Malerutensilien, einzelne Schrauben, Arbeitshosen und sogar Hundeleinen hat. Er ist ein Treffpunkt. Besonders am Wochenende. Sonntagmorgens stehen die Kunden Schlange. Und sogar gerne: Denn dann wird geratscht. Und das nicht zu knapp.

 

Kunigunde Pentenrieder seufzt. Eine Klingel gibt es an der Ladentür nicht. Sind die Rollläden unten, ist Schluss. „Es muss ja auch mal reichen“, sagt sie, die nebenbei noch Familie und den Haushalt versorgt und mit ihrem Mann eine Landwirtschaft betreibt. Wie lange sie noch den Gemischtwarenhandel betreiben kann? Sie zuckt mit den Schultern. „So lange es halt geht.“

 

Foto: Corinna Eichberger-Renneisen, Text: Petra Neumaier  

 

 

Vom Salz bis zum Zündhölzl, vom Coffee to go bis hin zum offenen Brathering (ab Allerheiligen bis Ostern): Der Gemischtwarenhandel Pentenrieder hat alles und herzliche Gespräche sind hier sogar inklusive.

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