Ein Tor zu einem neuen Leben

Ein Tor zu einem neuen Leben

Das alte Klavier ist heute stumm. Verschlossen unter einem schweren Deckel sind seine vergilbten Tasten. „Aber manchmal“, wird Petra Helsper gleich erklären, „kommt ein Gast und spielt darauf.“ Einfach so. Und dann klingen die Saiten und verstummen die 1950er-Jahre-Musiktruhe und auch so manches Gespräch in dem gemütlichen Café, dessen hohe und mit Stuck und Farbe verzierte Decke von ebensolchen Säulen gestützt wird. Hin und wieder raschelt dann noch das Papier der umgeblätterten Zeitung, schauen verträumte Blicke vom Buch in die Ferne. Echte, gemütliche Kaffeehaus-Atmosphäre – mitten in Fürstenfeldbruck im „Brucker Fenster“, einem beispielhaften – weil für alle Menschen – Projekt der Caritas.

 

Petra Helsper, seit Sommer 2018 Leiterin des Brucker Fensters, ist stolz. Auf das Café, auf die Gebrauchtbuchhandlung, und natürlich auf all die vielen Mitarbeiter, die das Projekt zu einem erfolgreichen gemacht haben. „Teilnehmer“ nennt sie jene. Und obwohl sie ja unterschiedlicher Herkunft sind, unterschiedliche Voraussetzungen und Geschichten und Fähigkeiten mitbringen: Hier sind alle gleich und ziehen an einem Strang.

 

Angefangen hatte alles an anderer Stelle. Mit dem Gebrauchtbuchladen der Caritas, der ab 2008 in der Kapuzierstraße Bücherspenden sammelte und verkaufte. 2010 öffnete dann das hofcafè des Verbandes in der Schöngeisinger Straße, wo sich ebenfalls ein Teil der gemeinnützigen Organisation befand. Seit 2015 ist jetzt alles in dem historischen Eckgebäude zusammengefasst.

 

Neben fünf festangestellten Mitarbeitern gibt es im Brucker Fenster eine bunte Mischung an 35 Teilnehmern, die dank drei verschiedener Maßnahmen hier Arbeit gefunden haben. Die größte Gruppe (15 Plätze) fällt unter den Begriff „Zuverdienst“: Menschen, die aufgrund psychischer Erkrankung (Burnout, Depression, Ängste, Traumata ...) derzeit nicht am „1. Arbeitsmarkt“ beschäftigt sein können. Sechs Plätze sind „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ (Langzeitarbeitslose) sowie sieben Plätze für „Personen mit Fluchthintergrund“. „Das Projekt hilft allen, aus ihrer sozialen Isolation herauszukommen und integriert am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben“, fasst Petra Helsper zusammen und setzt hinzu, dass der Bedarf an solchen Stellen stetig wächst.

 

Ob im Bücherlager, in der Küche, beim Bedienen oder im Verkauf: Die Teilnehmer bekommen wieder Vertrauen in sich selbst und viele wachsen sogar über sich hinaus. „Es gibt schöne Geschichten“, erzählt  Petra Helsper und freut sich, dass sie jene erleben darf. Und die Besucher? In den Buchregalen werden sie fündig und die Tische sind fast durchgängig besetzt. Zum Mittagstisch, zum „fair trade“-Kaffee und Kuchen. Alle Speisen sind frisch – weitestgehend in Bioqualität – zubereitet, der Kuchen ist hausgebacken. Als vor einem halben Jahr eine Kundenbefragung ausgewertet wurde, war das Ergebnis überwältigend: 100 Prozent positive Beurteilungen. „Ein tolles Erlebnis für die Teilnehmer, von denen viele bislang nur das Gefühl des Versagens gekannt haben.“

 

Und es geht weiter. Neben dem direkten Verkauf der Bücher wurde gerade ein Online-Buchverkauf neu eingerichtet. Bereits am Laufen ist ein Second-Hand-Verkauf für außergewöhnliche Dinge und Handarbeiten. Veranstaltungen wie Tanztees und Lesungen sind in Planung. Eins zu eins gehen die Erlöse in das Projekt, das stetig wächst an Ideen und Inhalten, die von den Teilnehmern gefüllt werden. Petra Helsper ist glücklich. „Das alles zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind.“   Petra Neumaier

 

Das Brucker Fenster ist geöffnet von Montag bis Donnerstag von 10 bis 16.30 Uhr und Freitag von 10 bis 14 Uhr. Spenden von Büchern und dekorativen Second-Hand-Waren sind willkommen. Das Café kann auch für Veranstaltungen und Feste angemietet werden.

  

Wertschätzung, Akzeptanz, individuelle Arbeitsplätze und eine entspannte Atmosphäre: Das Modell „Brucker Fenster“ reizte die 50jährige Mutter von zwei Kindern. Neun Jahre lang hatte sie in der Suchthilfe (auch in leitender Position) gearbeitet und dort eine Begegnungsstätte und eine therapeutische Wohngemeinschaft aufgebaut sowie eine Einrichtung  für suchtkranke Mütter und deren Kinder geführt. Jetzt betreut und erweitert sie das Projekt „Brucker Fenster“, das Menschen in besonderen Lebenslagen zu einer sinnvollen Beschäftigung verhilft.

Fotos: Simon Katzer, Text: Petra Neumaier

 

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