Lauschiges Langwied    

Lauschiges Langwied    

Fotos: Corinna Eichberger-Renneisen - Text: Ricarda Traub

Der erste Schnee liegt wie ein Schleier über dem Land. Zart bedeckt er die brachliegenden Felder, die die Gegend prägen. Es riecht nach Winter. Stille. Nur das Gestüt am Ortsrand scheint bereits erwacht zu sein. Dort schnauben leise die Pferde während sie in der halboffenen Reithalle ihre ersten Runden traben oder von den Reitern auf dem Hof gestriegelt werden. Dann hallt Hufgetrappel durch die schmalen, sich windenden Straßen, als eine kleine Herde Haflinger vorbei an gepflegten Höfen und frostüberzogenen Gärten hinaus zu einer der Koppeln, die rund um den Ort verstreut liegen, geführt wird. „Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“ – oder im beschaulichen Langwied.  

Lang, gemessen an seiner Größe, ist der Ort nicht. Doch man kann dort lang verweilen – denn Geschichten und Spuren aus vergangenen Zeiten gibt es hier mehr als genug. Ganz im Gegensatz zu Hausnummern. Die fehlen gänzlich.

Wer aus Richtung Moorenweis kommt, übersieht sie leicht – die alte Mühle, gleich links, direkt an der Maisach gelegen. Einst war das gleichmäßige Mahlen des Mühlsteins fester Bestandteil des Alltags in Langwied, über Generationen hinweg. Doch mit dem großen Mühlensterben im Jahr 1954 verstummte auch hier das Rad: Ottmar Drexl, der letzte Müller des Ortes, musste seinen Betrieb einstellen. Die Ursprünge des Mahlwerks reichen bis ins 13. Jahrhundert. Ursprünglich diente die Mühle als Ölschlegel, in dem aus Raps und Rüben pflanzliche Öle gepresst wurden. Später wurde sie zur Getreidemühle umfunktioniert, schließlich sogar mit einer ummauerten Turbine ausgestattet. Heute ist das Gebäude offiziell gesperrt. Nur alte Fotografien zeugen noch von jener Zeit, als die Mühle das ganze Dorf versorgte. Die Schälmühle vom Buchweizen Zacherl hier im Ort ist allerdings noch intakt.

Ebenfalls geschichtsträchtig ist die Filialkirche Sankt Peter und Paul. Alfred Schäfer kümmert sich um das kleine Gotteshaus, lüftet, putzt und hält alles in Schuss. Hin und wieder findet eine Taufe statt, Gottesdienste eher selten. Und Hochzeiten? „Ich kann mich an keine andere als meine eigene erinnern“, sagt der 78-Jährige und lacht. Der Innenraum der Kirche vereint auf stimmige Weise warmes Holz mit dezentem Stuck. Altar und Orgel bilden, mit schwarzen Akzenten oder vollständig in Schwarz gehalten, einen Kontrast zur sonst schlichten Gestaltung. Zwei Hinweise geben Aufschluss über das mögliche Baujahr der Kirche: Zum einen eine Votivtafel aus dem Jahr 1685, die Pfarrer Marthin Matheiß aus Dankbarkeit für seine Genesung nach einer Beinverletzung stiftete. Zum anderen die Jahreszahl 1548, die bei einer Renovierung entdeckt wurde. In diesem Jahr wurde eine der beiden Glocken gegossen – die Kirche muss also bereits vorher gestanden haben. Noch heute wird das Geläut von Hand bedient. Zwei dicke Seile hängen bis in die letzten Kirchenbänke. „Man muss schon kräftig daran ziehen, bis die ersten Töne erklingen“, sagt Alfred Schäfer „und ich schau halt, dass ich nicht aus dem Takt komm.“

Taktgefühl spielt auf der anderen Straßenseite übrigens auch eine Rolle. Anwohner mit bolivianischen Wurzeln laden hier alljährlich zum Nachbarschaftsfest mit rhythmischen Klängen aus ihrer Heimat ein.

Musik liegt gerade nicht in der Luft, dafür das fröhliche Lachen vorbeiziehender Kinder. Den Schlitten im Schlepptau steuern sie einen der umliegenden Rodelhügel an und passieren dabei die kleine Pestkapelle, die ein Stück unterhalb der Kirche inmitten einer Pferdekoppel steht. Sie ist ein Relikt aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges – einer Zeit, nach der der kleine Weiler für Jahrzehnte nahezu verwaist dalag. Errichtet wurde sie als flehentliche Bitte und Zeichen der Hoffnung: Möge niemals wieder ein Krieg über das Dorf hereinbrechen. Im Inneren der Andachtsstätte finden sich eine verwitterte Inschrift und ein schlichtes Holzkreuz, gefertigt von einem Langwieder aus dem namhaften Hause Zimmermann. Die Familie war weit über den Ort hinaus bekannt – nicht zuletzt wegen Josef Zimmermann, der als Weihbischof von Augsburg in den 1960er-Jahren am Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom teilnahm.

Im Herbst kann es allerdings laut werden in Langwied. Ein tiefes Röhren hallt dann über die Felder und lässt die Pferde auf der Koppel erschrocken auseinandertreiben. In der Brunftzeit macht der Hirsch der Rotwildherde mit seinem kraftvollen Ruf unmissverständlich auf sich aufmerksam.

Spätestens im Winter kehrt dann aber die ländliche Stille zurück.


Steckbrief Langwied

Lage
Ortsteil der Gemeinde Moorenweis

Erste Erwähnung des Ortes
Um 1100: Erstmalige Erwähnnug eines „Konrad, der Paur zu Langwied“
1506: Erwähnung der Hofmark Langwied in Urkunden

Einwohner
99

Erwähnenswert:
Früheste historische Funde rund um die Kirche aus dem 8. Jahrhundert: Grabbeigaben wie bronzene Schmuckstücke, Ohrringe und Broschen. Heute im Stadtmuseum Fürstenfeldbruck ausgestellt.

Spazierwege, Radtouren und Aktivitäten
VIA Julia Radweg

Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr
Jeweils Mo-Fr:
Buslinie 826 – Grafrath S-Bahn; Buslinie 829 – Mammendorf S-Bahn/Moorenweis Schule

 

Mammendorf!

Mammendorf!