MIT LAIB UND SEELE
Fotos: Simon Katzer, Text: Petra Neumaier
Der Duft macht schwindlig. Und schon beim dritten Atemzug knurrt der Bauch, als hätte er seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen. Geschickt stößt Christine Huber den hölzernen Einschießer in das Backrohr und zieht ihn noch im selben Moment mitsamt dem perfekt gebräunten Laib heraus. Heiß dampft er zwischen seiner aufgebrochenen krossen Kruste, die geradezu schreit nach frischer Butter, fettem Käse und würziger Wurst. Frisch gebackenes Brot ist unwiderstehlich – und GUSTL führt Sie in Versuchung.
Mehl, Wasser, Salz, Hefe oder Sauerteig und vielleicht ein paar Gewürze: mehr ist nicht drin, im Brot. Mehr braucht es auch nicht. Einmal in der Woche zaubert die Agrarbetriebswirtin aus Puchheim die Köstlichkeiten aus dem Ofen ihres Anbaus, der so heimelig ist, dass kürzlich sogar aus heiterem Himmel ein Fernsehteam vorbeikam, um sie beim Backen zu filmen. „Irgendwie muss sich das herumgesprochen haben“, sagt Christine Huber stolz.
Dabei hat sie das Bäckerhandwerk gar nicht gelernt. Vielmehr arbeitet die vielseitige Erlebnisbäuerin seit zwei Jahren als Kräuterpädagogin mit Volksheilkundezertifikat sowie als ganzheitliche Ernährungsberaterin. Das Brot kam erst im vergangenen Jahr hinzu: Eines ihrer drei Kinder vertrug plötzlich keinen Weizen mehr, also begann Christine Huber, Alternativen zu backen. Ein Selbstläufer, denn Freunde und Nachbarn kamen rasch auf den Geschmack. Inzwischen bestellen Kunden bis über die Landkreisgrenzen hinaus ihre Brote, die sie jeden Mittwoch zum Verkauf anbietet. „Mehr als 35 schaffe ich aber nicht“, sagt sie ein wenig erschöpft.
Schließlich ist die junge Frau schon seit 5 Uhr auf den Beinen, wiegt verschiedene Sorten Mehl und Körner ab, streut hier Salz und dort Brotgewürze oder Kräuter ein, schüttet warmes Wasser hinzu und krümelt Hefe in die Schüssel. Kein Vorteig? Christine Huber schüttelt den Kopf. Das sei Vergangenheit. „Heute ist die frische Hefe so gut, dass man nicht testen muss, ob sie noch geht. Ich ignoriere das Anrühren jedenfalls – und es gelingt immer“, setzt sie stolz hinzu.
Wichtig sei nur das lange Kneten und die Ruhezeiten der fertigen Rohlinge. Wie Kaugummi lassen sie sich dann ziehen, geschmeidig und doch nicht zäh. Das gilt auch für das Roggenbrot, das sie mit ganz viel selbst angesetztem Sauerteig verarbeitet. Zwei Kilo auf drei Kilo Mehl: „Dann wird es schön locker und geht hoch.“ Besonders achtet Christine Huber auf die Zutaten ihrer Brote: Nur Mehl von der Furthmühle oder BRUCKER LAND kommen ihr da hinein. „Wir haben ja selbst eine Landwirtschaft“, begründet sie ihre Entscheidung für regionale Produkte.
Und dann bettet sie sanft die Sauerteiglaibe in ihr Gärkörbchen zur Ruhe, während die verschieden geformten und verfeinerten Ciabattas schon im Steinbackofen schwitzen und den ganzen Raum zum Duften bringen. „Manche schneiden die rohen Brote vorm Backen ein, aber ich finde es schöner, wenn sie unkontrolliert reißen“, sagt sie und alleine die Vorstellung an das noch heiße Backwerk lässt das Wasser im Munde zusammenfließen.
Bildtext: Auf ihrem Kreuthof in Puchheim bietet Christine Huber neben Kräuter- auch Brotbackkurse an. www.kreuthof-puchheim.de
ROGGENBROT
(Für 3 Laibe)
800 g Roggenmehl Typ 1150, 200 g Weizenmehl Typ 1050, 640 g Sauerteig, 20 g Salz, 20 g Hefe, 1 TL Brotgewürz, 760 ml Wasser
Alle Zutaten mit der Knetmaschine oder einem kräftigen Handrührgerät mit Knethaken 8 Minuten kneten und anschließend mit einem sauberen Küchentuch abgedeckt 1 Stunde ruhen lassen. Aus dem Teig drei Brote formen und in Gärkörben mit einem Tuch abgedeckt eine weitere Stunde gehen lassen. Anschließend den Teig aus den Körben auf ein leicht bemehltes Backblech oder einen Einschießer stürzen. Im vorgeheizten Backofen etwa 50 Minuten backen. (bei 250 Grad ca. 30 min, dann zurückschalten auf 180 Grad).
CIABATTA
(Für 4 Brote)
2250 g Weizenmehl Typ 405 (oder Dinkelmehl Typ 630), 750 g Hartweizengrieß (oder Dinkelgrieß), 80 g Salz, 2 Würfel frische Hefe, 2,1 l eiskaltes Wasser
Mehl und Grieß mischen und mit 2 Litern Wasser etwa 5 Minuten kneten. Salz zugeben und nochmals 3 Minuten weiterkneten. Langsam restliches Wasser im Zeitraum von 2 Minuten hinzugeben. Verkrümelte Hefe dazugeben und weitere 5 Minuten kneten. Den Teig in eine mit Olivenöl gefettete Form geben und mindestens 90 Minuten ruhen lassen. Brote, Stangen oder Semmeln formen und noch ca. 5 Minuten stehen lassen. Bei 250 Grad 25 bis 30 Minuten backen.
Variationen: Den Teig mit getrockneten Kräutern (zum Beispiel Bärlauch, Rosmarin, Italienischen Kräutern) oder getrockneten Tomaten oder eingelegten Oliven verfeinern.
RUSTICO
(Für 4 Brote)
2000 g Weizenmehl Typ 1050, 100 g Dinkelvollkornmehl, 100 g Roggenvollkornmehl, 300 g Sesam, 300 g Leinsamen, 200 g Sonnenblumenkerne, 45 g Salz, 1 Würfel frische Hefe, 1,5 l Wasser, etwas Brotgewürz
Alles zusammen 15 Minuten kneten und anschließend 2 Stunden gehen lassen. 4 Brote formen und je in eine leicht bemehlte Kastenform legen. Noch einmal 10 Minuten ruhen lassen. 30 Minuten bei 250 Grad im Ofen backen, dann auf 180 Grad zurückdrehen und weitere 30 Minuten backen.
RESCHE SEMMELN
(Für 8 Stück)
280 ml lauwarmes Wasser, 15 g frische Hefe, 250 g Mehl, 250 g Vollkornmehl, 7 g Salz, 5 g Rohzucker, 20 g flüssige Butter oder Öl
Hefe im Wasser auflösen. Mehl, Salz, Zucker und Öl untermischen und mit den Knethaken ca. 8 bis 10 Minuten durchkneten. Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche noch einmal etwa 2 Minuten durchkneten und zu einer Kugel formen. Mit Mehl einstäuben und in einer Schüssel zugedeckt 40 Minuten gehen lassen. Anschließend kräftig kneten, 30 Minuten ruhen, wieder kneten und jetzt 20 Minuten stehen lassen. Teig nur noch leicht kneten und zu einer Wurst formen. In gleich große Stücke teilen (beim Formen nicht mehr kneten!). Auf ein bemehltes Backblech setzen und einschneiden. 30 Minuten ruhen lassen. Backofen auf 200 Grad vorheizen, dabei eine feuerfeste Schüssel mit heißem Wasser ins Rohr stellen. Semmeln etwas mit Wasser besprühen und ca. 20 Minuten backen. Fertig sind sie, wenn sie beim Klopfen dumpf und hohl klingen.
SAUER MACHT ROGGEN SAFTIG
Frisch gebackene Fladen und Knäckebrot haben natürlich auch ihren Reiz. Aber was sind sie schon im Vergleich zu einem frischen Brot mit knuspriger Kruste und luftigem, saftigem Inneren? Das haben wir übrigens den alten Ägyptern zu verdanken. Denn sie experimentierten schon vor über 3000 Jahren mit Sauerteig und entdeckten dabei auch, dass er sich vermehren lässt. Vor allem bei Verwendung von Roggenmehl ist das Treibmittel unerlässlich: Roggen enthält nämlich ein Enzym, das die Kleberbildung im Teig behindert. Nur durch Zugabe einer Säure wird es gestoppt. Selbstverständlich kann man Sauerteig schon fertig abgepackt kaufen. Frischer ist natürlich die eigene Herstellung. Im Kühlschrank hält er sich zehn bis 14 Tage frisch, man kann ihn aber auch über längere Zeit einfrieren. Einmal angesetzt, lässt sich Sauerteig zudem bei richtiger Aufbewahrung unbegrenzt vermehren.
SAUERTEIG
1. Tag: 100 g Mehl (Roggen oder Dinkel, mindestens aber Typ 1050) mit 100 ml lauwarmen Wasser vermischen. Bei gleichbleibender Raumtemperatur mindestens 24 Stunden abgedeckt in der Schüssel stehen lassen.
2. Tag: Noch einmal 100 g Mehl und 100 ml lauwarmes Wasser hinzugeben und alles 24 Stunden ruhen lassen.
3. Tag: 200 g Mehl und 200 ml lauwarmes Wasser unterrühren und erneut 24 Stunden an einem warmen Ort stehen lassen. Der Sauerteig ist fertig, wenn er angenehm säuerlich riecht und Blasen wirft.
Vermehrung: 200 g alten Sauerteig mit 350 g Roggenmehl und 350 g warmen Wasser mischen. Nach 24 Stunden hat man wieder 800 g Sauerteig!
KLEINE APOTHEKE
Das Brotgewürz gibt dem Brot nicht nur eine kräftige Note, es ist auch sehr gesund: Anis regt die Drüsen im Magen-Darm-Trakt an: Kümmel und Koriander machen Appetit, unterstützen die Verdauung und wirken krampflösend; Fenchel beruhigt den Magen und Darm. Wer es noch gesünder mag, gibt noch etwas Galgant (krampflösend und entzündungshemmend), Bertram (verdauungsfördernd und reinigend) und Quendel (beruhigend, krampflösend) hinzu. Da wird Brot zur reinsten Medizin! In luftdichten Gefäßen kann das Brotgewürz eine Weile aufbewahrt werden. Frisch ist aber immer besser.
BROTGEWÜRZ
2 TL ganzer Fenchelsamen, 2 TL ganzer Kümmel, 2 TL ganzer Anis, 1 TL Koriander (eventuell gerieben)
Alle Zutaten in einer Mühle (zum Beispiel Kaffeebohnenmühle) mahlen oder in einem Mörser ganz fein zerstoßen.
TYPISCH!
405 oder 550? Oder doch lieber 1050? Die Entscheidung für das richtige Mehl würde leichter fallen, wenn man nur wüsste, was die Typenzahlen überhaupt bedeuten und welche sich für welche Backwaren eignen. Deshalb hier eine kleine Warenkunde:
Im Getreide befinden sich die meisten Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe in der äußeren Schale des Korns. Die Typenzahl gibt die Menge der Mineralstoffe in Milligramm pro 100 Gramm Mehl an und die hängt wiederum davon ab, wie stark das gesamte Korn gemahlen wurde. Deshalb gilt: Je höher die Typenzahl ist, umso mehr Schalenbestandteile und umso mehr Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe sind im Mehl. Vollkornmehle haben keine Typen-Nummer. Sie müssen laut Norm aus den gesamten Bestandteilen der gereinigten Körner bestehen. Im Gegensatz zu den Backschroten enthalten sie deshalb auch den Keimling. Für Brote werden meistens verschiedene Mehlsorten verwendet.
Mehl mit niedriger Typenzahl
Weizen 405, Dinkel 405, Roggen 610 – nahezu kleiefrei, sehr gute Klebeeigenschaften, locker und feinporig; für Kuchen und Feingebäck sowie Weißbrot. Weizen 550 und 630, Dinkel 630, Roggen 815: für helles Brot und Semmeln, Kleingebäck, Stollen. Weizen 812, Dinkel 630, Roggen 997: für dunkle Semmeln und Mischbrot.
Mehl mit mittlerer Typenzahl
Weizen 1050, Dinkel 1050, Roggen 1150 und 1370 – dunklere Farbe, kräftiger im Geschmack, braucht bei der Verarbeitung zehn Prozent mehr Flüssigkeit: für Mischbrote. Weizen 1600, Roggen 1740: für dunkle, kräftige Brote.
Mehlsorten mit hoher Typenzahl
Weizen 1700, Roggen 1800 – Backschrot, ohne Keim vermahlen: wird meist mit anderem Mehl gemischt.
MEHLE VON A BIS W
Amaranthmehl: glutenfrei (kein Eiweißkleberanteil). Muss für Brot mit anderen Mehlsorten gemischt werden.
Buchweizenmehl: glutenfrei. Geeignet u.a. für Pfannkuchen, nicht aber alleinig für Brot.
Chapatimehl: sehr fein gemahlene Vollkornmehlmischung aus Gerste, Weizen und Hirse.
Emmermehl: Verwandter des Weizen. Hoher Mineral- und Eiweißgehalt, wenige Kleberanteile; gibt Vollkornbroten kräftigen, nussigen Geschmack.
Dinkelmehl: Verwandter des Weizen. Enthält besonders gut verträgliche Inhaltsstoffe, lässt sich aber schwerer verbacken als Weizenmehl, da der Kleber sehr empfindlich ist. Gerstenmehl: niedriger Glutengehalt. Wird nur selten zum Brotbacken verwendet.
Grünkernmehl: halbreif geernteter und gerösteter Dinkel. Wird nur mit anderen Mehlsorten gemischt verbacken.
Hafermehl: viel Protein und Öl, nussiger Geschmack. Allein nur in Plätzchen geeignet.
Hartweizenmehl: Sonderform des Weizens mit hohem Kleberproteingehalt. Hauptsächlich verwendet in der Grieß- und Nudelherstellung.
Hirsemehl: Hoher Proteingehalt, wenig Gluten. Ohne Zusatz zum Brotbacken wenig geeignet.
Kamutmehl: Urform des Weizens mit mehr Eiweiß, Aminosäuren, Vitaminen und Mineralien. Sehr gut zum Backen geeignet.
Kartoffelmehl: hergestellt aus der Stärke der Kartoffel. Enthält keinen Kleber, muss daher mit anderen Mehlsorten gemischt werden.
Kastanienmehl: glutenfrei. Nur in Kombination mit anderen Mehlen backfähig.
Kichererbsenmehl: glutenfrei. Viele Proteine, geeignet für Pfannkuchen.
Maismehl: glutenfrei. Muss für Brot gemischt werden.
Malzmehl: Mischung aus braunem Weizenmehl, Roggenmehl und Weizenmalz. Brot wird süßlich und etwas klebrig.
Maniokmehl: Das aus der Maniokwurzel hergestellte Mehl enthält kein Gluten. In Brasilien wird es u.a. für eine Art Brot verwendet.
Quinoamehl: nur begrenzt zum Backen geeignet. Kein Bindeeiweiß.
Reismehl: Bindemittel oder Mehlersatz bei Weizenallergie. Da glutenfrei nur bedingt für Gebäck und Brot geeignet.
Roggenmehl: mehr Mineralstoffe, aber weniger Eiweiß als Weizenmehl.
Sojamehl: unterschieden wird zwischen vollfetten (18 bis 20 Prozent Fett, 38 Prozent Eiweiß) und entfetteten Mehlen (50 Prozent Eiweiß, 1 Prozent Fett). Sollten beim Backen nur bis zu 20 Prozent als Zusatzmehle verwendet werden.
Tempuramehl: Mischung aus Weizenmehl, Reismehl und Backpulver.
Weizenmehl: hoher Anteil an Stärke und Gluten. Eignet sich deshalb gut zum Backen.