ANGEKOMMEN

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Fotos: Simon Katzer  - Text: Petra Neumaier

 

Spätherbst im Walderlebniswald Grafrath. Die Wege durch das dichte Gebüsch, aus denen vor ein paar Monaten Elfen schwebten, und der lustige Puk, der seinen Schabernack mit Oberon und Titania trieb, sind noch deutlich zu sehen. Einzigartig waren die Inszenierung und die Vorstellungen des „Sommernachtstraums“ nach William Shakespeare unter der Regie von Olaf Dröge. Unterstützt vom Grafrather Kulturverein und dem damaligen Leiter des Versuchswaldes, Siegmar Wüst, erfüllte sich der Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagoge in seiner neuen Heimat selbst einen Traum, der ihn beflügelt – auch für die vielen kommenden Projekte auf namhaften Bühnen. Also: Vorhang auf!

 

Erster Akt: Die Exposition (Einleitung) oder: „Der Flachwurzler“ 1980 wird Olaf Dröge als Sohn eines Diplomaten und seiner Frau bei einem Heimaturlaub in Bad Nauheim geboren – dem Wohnort der Großeltern. Der Vater ist da gerade im Senegal stationiert. Dort wächst der Bub auch bis zu seinem zweiten Lebensjahr auf. Es folgen Portugal, Bonn, Burkina Faso (Westafrika), wieder Bonn und dann Holland. Nirgends ist er lang genug, um tiefe Wurzeln zu schlagen, aber lange genug, um mehrere Sprachen fließend zu lernen – mit acht Jahren zum Beispiel innerhalb von drei Monaten Französisch – ohne Unterricht! In Den Haag legt der „unfreiwillige“ und fünfsprachige (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Holländisch) Kosmopolit auch sein Abitur an der Deutschen Schule ab. Bereits in der 12. Schulklasse hatte er das Theater entdeckt. In der neu gegründeten AG spielte er die Hauptrolle, den „Ferdinand“ in Schillers „Kabale und Liebe“.

 

Zweiter Akt: Erregendes Moment (Steigende Handlung) oder: „Theater ist die große Freiheit“ Mit gerade einmal 19 Jahren zieht Olaf Dröge nach Berlin, seine Wahlheimat, in der er länger verweilen wird als irgendwo sonst in seinem Leben. Bislang zumindest. „Ich habe ja hoffentlich noch ein paar Jahre vor mir“, sagt der jetzige Grafrather mit einem Augenzwinkern. Das Leben und Studieren in den 1990er Jahren ist für ihn jedenfalls „eine faszinierende Zeit“. Seine Fächer „Theaterwissenschaften“, „Geschichte“ und „Germanistik“ an der Humboldt-Universität schließt der junge Mann mit „Summa cum laude“ ab, so nebenher. Denn hauptsächlich steht er auf der Bühne. Er spielt, inszeniert, schreibt, schaut, lernt und jobbt als Schauspieler bei einem renommierten Kinder- und Jugendtheater. Das Auswendiglernen von Texten fällt ihm leicht. Für ein 90-minütiges Solostück braucht Olaf Dröge kaum drei Monate. Improvisieren kann er auch. Das Handwerk eines Theaterpädagogen fliegt ihm regelrecht zu. Er wird Projektleiter, konzipiert, netzwerkt, akquiriert Kunden, beschafft Fördermittel, ist Personalleiter, Tourneeplaner und Pressesprecher. Nach 13 Jahren Berlin wird Olaf Dröge zum stellvertretenden Geschäftsführer in das Haupthaus des Theater Eukitea im Landkreis Augsburg berufen. Fünf Jahre lang leitet der Vielseitige das kleine Unternehmen mit 25 Mitarbeitern, 450 Vorstellungen und einem Budget von rund einer Million Euro pro Jahr! Läuft! Nach 15 Jahren trennen sich jedoch die Wege. Da lebt er bereits mit seiner Frau und ihren drei Kindern in Grafrath (zwei gemeinsame werden folgen).

 

Dritter Akt: Höhepunkt oder: „So kann es weitergehen“ Acht Premieren in zwölf Monaten. Unter anderem inszeniert Olaf Dröge, der inzwischen (bürgerlich) den Namen seiner Frau angenommen hat (Güther), an der Neuen Bühne Bruck. Und er steht selbst auf diversen Brettern. In die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen zu dürfen, „ist ein Luxus“, schwärmt der Schauspieler, der vom Romeo bis zum gruseligen Psychopathen alles draufhat. Als emotionaler Mensch kann er auf der Bühne Emotionen zeigen, sich ausleben. Therapie? Er schüttelt belustigt den Kopf: „Das höre ich oft, aber für mich ist es einfach das, was es ist. Und der Mensch muss ja auch nicht nur einer sein.“ Manchmal ist er sogar in einem Stück sehr viele Rollen. Wie beim Hamlet, wo er alle fünf Männerrollen spielte. Nebenher leitet der vielfache Papa zahlreiche Workshops mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Zwei Theaterstücke schreibt Olaf Dröge, einen Preis gewinnt er. Bei den Altmühlsee-Festspielen steht der Grafrather auf der Bühne, weitere Projekte bringt er auf den Weg. „So kann es weitergehen“, stellt er zufrieden fest, und …

 

Vierter Akt: Retardierendes Moment (Fallende Handlung) oder: der Corona-Schock:

In der Nacht vom 12. auf den 13. März 2020: Null. Nothing. Rien. Niente. Niets! Der bereits dicht gefüllte Terminkalender ist leer. Der Kopf erst einmal auch. Und die Frau ist mit dem zweiten Kind schwanger. Ratlosigkeit und ein bisschen Angst. Da erinnert sich Olaf Dröge an das Gespräch mit einem Freund nur einige Monate zuvor. Als er sagte, wie „cool“ es doch sei, einen Handwerksberuf zu können. Olaf Dröge mag Holz, hatte schon zwei Workshops bei einem Holzkünstler hinter sich. Also bewirbt sich der 40-Jährige als Schreinerlehrling. „Wehklagend zu Hause herumzusitzen bringt ja sowieso nichts.“ Die Schulbank wieder zu drücken – als mit Abstand Ältester – ist spannend bis anstrengend. „Zum Teil war ich sogar älter als meine Lehrer“, sagt er und lacht. Nach seiner zweijährigen Lehrzeit schließt er als Innnungsbester Schreiner die Lehre ab.

 

Nebenberuflich Schreiner sein ist für ihn okay, die Leidenschaft bleibt beim Theater. „Da bin ich auch besser.“ Der Wiedereinstieg ist allerdings holprig. Denn wegen anstehender Prüfungen hatte er immer wieder, „und auch tolle“ Angebote abgesagt. „Aber wenn ich etwas anfange, mache ich es auch fertig“, war seine Devise, die ihn fast die Karriere gekostet hätte. „Theaterjobs sind begrenzt, wer dreimal absagt, wird nicht mehr gefragt.“

 

Fünfter Akt: Katastrophe oder Lösung oder: Das Happy-weiter!

2022 dann die Rückkehr als Ingo in „Die Mondscheinspringer" von Frank Piotraschke beim „theater ... und so fort“ (München) und 2023 als Tim Tooney in „Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten" von Alessandro Baricco des „Sensemble Theater Augsburg“ – „wegen des großen Erfolges wird das Stück zum dritten Mal wiederaufgenommen“, darf Olaf Dröge zurecht stolz sein.

 

Ebenso wie auf seine selbst produzierten und gespielten Kindertheater. Mit „Frederick“ nach dem Kinderbuch-Klassiker tourt er durch die Lande – mehr als 25-mal hat er das Stück, in dem er alle Rollen spielt, aufgeführt. „Spielfreude entsteht, wenn man auf spontane Dinge reagieren kann“, sagt Olaf Dröge, den besonders die Reaktion der Kinder erfüllt. Darum wohl auch die weiteren Kindertheater: „Der kleine Pilger“, „Pina Aquamarina und das Wunderwasser“ sowie „Ina und der Zauberer Tintenklecks“. Unterstützt wird er von seiner Frau Annelie Güther – und von seinen Kindern, die seine ersten Zuschauer sind. „Freundliche Kritiker“, sagt er. 2025 dann der „Sommernachtstraum“, den die Zuschauer sicher nicht mehr so schnell vergessen. So soll’s sein.

 

Das Jahr 2026 ist bereits gut gefüllt – mit Kinderstücken, der Neuaufnahme und einer neuen Produktion „Schuld und Schein“ – Geschichten über das Geld, mit der er beim „Sensemble Theater“ auch wieder auf die Bühne zurückkehrt. Dazu Regie am Aichacher Volkstheater. „Es ist komfortabel, wenn das Jahr safe ist“, freut sich Olaf Dröge, der auch noch weitere Projekte in der Schublade hat. Auch in den Versuchsgarten will er wieder zurück – 2027 hofft er mit Hilfe des Kulturvereins wieder ein Stück hier aufführen zu können. Wenn er bleibt. Olaf Dröge glaubt schon: „Ich bin zwar ein Flachwurzler, habe aber das Gefühl, in Grafrath angekommen zu sein.“

 

BU

Früher hat Olaf Dröge oft die Rolle des jugendlichen Liebhabers spielen müssen, „da bin ich jetzt zum Glück raus. Es gibt ja noch andere Möglichkeiten, seine Leidenschaft zu zeigen“, sagt er und schmunzelt. Einige wenige Male stand er auch vor der Filmkamera, wie bei der Serie „Hubert und Staller“. „Aber das ist nicht meine Welt, denn das Filmen besteht hauptsächlich aus Warten!

 

Olaf Dröge lernt Texte sehr leicht auswendig – und am besten beim Spazieren im Wald.

Darum ist er auch oft im Versuchswald Grafrath anzutreffen, wie er laut seine Texte übt.

 

Das Schreinern hat Olaf Dröge nicht an den Nagel gehängt. Von Theaterkollegen wird er oft gefragt, ob er mal schnell ein Bühnenbild schreinern kann. Macht er, wenn es die Zeit erlaubt.  Nebenbei arbeitet er für ein kleines Unternehmen, das VW-Busse ausbaut. „Schleifen ist Meditation und die Entspannung brauche ich, bei dem vielen Kindertrubel zu Hause.“

 

Weise aus dem Morgenland, upgedated

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Momentmal: Die Mariensäule „Patrona Bavariae“ in Germering

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