Wintersport ohne Winter
Fotos: Corinna Eichberger-Renneisen – Text: Petra Neumaier. Ricarda Traub
Ohne jammern zu wollen, aber bei der Erinnerung an frühere Winter wird man schon ein wenig wehmütig: Wochenlang konnte man auf dem Olchinger Golfplatz auf frisch gespurten Loipen seine Runden drehen. Und herrlich war die Stimmung auf den gefrorenen Seen, wo sich Eishockeyspieler, Schlittschuhläufer und Eistockschützen gleichzeitig vergnügten. An den Wochenenden wurden sämtliche Rodelhügel des Landkreises ausprobiert und nach Weihnachten sausten die Kinder mit ihren neuen Rutscherl den Landsberieder Skihang runter. Und seit ein paar Jahren? Nichts. Zumindest nicht genug und nicht lange genug. Trotzdem muss man im Landkreis nicht auf jeden Wintersport verzichten. Neben Langlaufen auf Rollen (Nordic Cross Skating) gibt es zum Glück noch unsere Eislaufbahnen im Landkreis. Ricarda Traub ging in Fürstenfeldbruck Open-Air aufs Eis, während Petra Neumaier das öffentliche Eisstockschießen in der Germeringer Eissporthalle Polarium besuchte.
Sich ruhig mal aufs Glatteis begeben!
Strahlend blauer Himmel über glänzendweißem Eis: Ein Traum von Wintertag im Stadion Fürstenfeldbruck. Eine Horde Jugendlicher schlittert bereits juchzend und in rasendem Tempo über die spiegelglatte Fläche. Hier der Vater, der seine Tochter bei den ersten Laufversuchen an der Hand hält, dort die Seniorin, die entspannt lächelnd ihre Runden dreht. Musik aus den Lautsprechern begleitet das rhythmische Klackern der Kufen auf dem Eis. Erinnerungen an die ersten kindlichen Gleitversuche auf den schmalen Eisen werden wach. Ob man es noch kann? Probieren geht über studieren, also los.
Von Ende Oktober bis Ende März ist das Eisstadion Fürstenfeldbruck geöffnet. Für Eishockey- und Eistanzvereine und das breite Publikum. An gut besuchten Tagen tummeln sich bis zu 600 Besucher gleichzeitig auf der Fläche. „Es gibt Jugendliche, die kommen jeden Tag hierher“, sagt Lucas Schacherl. Der stellvertretende Betriebseiter der Amper Oase Fürstenfeldbruck ist nicht nur für das Saunadorf sowie das Schwimm- und Hallenbad zuständig, sondern eben auch für das Eisstadion. Dabei koordiniert und organisiert er vor allem auch Veranstaltungen. „In der letzten Saison war unsere Integrations-Disco ein voller Erfolg“, wird er später erzählen, begeistert von glücklichen Menschen, die trotz verschiedensten Beeinträchtigungen im eigenen Rollstuhl oder mit speziellen Hilfsmitteln, wie Schlittschuhgleitern, übers Eis fahren konnten. Dreimal in der Saison findet außerdem die Eisdisco statt. Bei diesem Abendlauf mit Neonlicht und lauter Musik kommt richtig Stimmung auf.
Gute Stimmung herrscht aber auch jetzt, an einem ganz normalen Nachmittag im Winter. „Mama, ich dreh‘ nochmal eine Runde“, ruft der kleine Junge und ist schon auf dem Eis. Dort übt die 13-jährige Milla gerade Pirouetten, dass einem allein beim Zuschauen schwindlig wird. Seit ihrem zweiten Lebensjahr läuft das Mädel schon Schlittschuh! Zehnmal die Woche trainiert sie in zwei Vereinen Eiskunstlauf. Heute ist sie einfach so hier. „Freunde treffen, ein paar Runden drehen oder die ein oder andere Figur festigen“, sagt sie und strahlt.
Ihr zuzuschauen motiviert zum Selbstmachen. Beim Verleih gibt es ein hübsches Paar Schuhe und so schwer war das ja früher nicht, das Laufen. Also mit wackligen Fußgelenken rüber gestelzt zur Bahn und … hui, ist das glatt! Gerade hatte nämlich einer der drei Eismeister vor Ort die 30 mal 60 Meter große Fläche noch mal präpariert: Mit der imposanten Eisbearbeitungsmaschine schob er abgefahrenes „Crush-Ice“ zusammen und spritzte gleichzeitig frisches Wasser auf, das sofort auf der Bahn gefriert. Die sieht jetzt aus wie neu, ist aber auch eben spiegelglatt.
Darum erst mal am Rand ein paar vorsichtige, kleine Schritte versuchen. Na also, geht doch – und dann mutig ins Getümmel. Die Gleitbewegungen werden immer länger, das Glücksgefühl und der Spaß immer größer. Noch eine Runde und dann noch eine – bis der Duft von Pommes und Glühwein zu verführerisch in der Nase liegt. Im Watschelschritt (schließlich zieht man die Schlittschuhe ja nicht jedes Mal aus) zum Kiosk gestapft und für eine Verschnaufpause auf die Tribüne gesetzt. Von hier aus hat man einen tollen Überblick auf das Getümmel. Auf der Fläche geht es äußerst diszipliniert zu. „Rowdies“, stellt Lucas Schacherl klar, „müssen die Eisfläche sofort verlassen.“
Sie sind vor und nach allen anderen auf dem Eis und für die Pflege und die technische Instandhaltung verantwortlich. Diese funktioniert vom Prinzip her wie ein Kühlschrank und die mit Ammoniak gefüllten Kühlschlangen regeln die Vereisung.
Zu ihnen gehört Jakob sicher nicht. Auch wenn er wie der Wind übers Eis flitzt. „Ich spiele Eishockey und neben meinem normalen Training will ich einfach jede freie Minute aufs Eis“, sagt der Elfjährige und ist auch schon wieder auf und davon.
Öffentliche Eislaufzeiten: Montag bis Freitag 14 bis 16 Uhr, Samstag 14 bis 16 und 20 bis 22 Uhr, Sonntag 9 bis 11 und 14 bis 16 Uhr.
www.amperoase.de/de/angebot/eisstadion
Zum Teil stundenlange Anfahrten nehmen die Sportler jeden Mittwoch auf sich, um in Germering trainieren zu können. Für die Möglichkeit sind alle Teilnehmer mehr als dankbar.
Mit Weltmeistern auf dem Eis
Mittwoch, 8 Uhr in Germering vor der Eislaufhalle Polarium. „Öffentliches Eisstockschießen“ steht auf dem Plan. Mal schauen, was da so geht. Kurz nach der Öffnung sind bereits etwa 40 Männer und Frauen auf dem Eis, in Mannschaften aufgeteilt. Locker schwingen sie nacheinander den Eisstock und Zack: Mit einem leisen Zischen nähert er sich der Daube und schiebt den Gegner erbarmungslos zur Seite. Oha, das sind keine Anfänger! Tatsächlich stehen fast ausschließlich Profis innerhalb der Bande. Von der Kreisklasse bis zur Bundesliga sowie Weltmeister und vom Bayerischen Wald bis Österreich. „Es gibt für Eisstockschützen kaum noch Möglichkeiten zum Trainieren“, wird später Hans Braun erklären. Seit 15 Jahren organisiert er das wöchentliche Event mit „fleißigen Stockschutz-Engeln“ und freut sich über Neugierige, Anfänger und Hobbyschützen, für die immer vier Bahnen und Leihstöcke reserviert sind. „Jeder ist gerne gesehen.“
Hmm, wer sich angesichts der Profis noch traut und auch die richtigen Schuhe anhat. Denn selbst, wenn das speziell vom Eismeister zuvor aufgeraute „Riffel“-Eis nicht allzu glatt ist: Auf den Bahnen wird es mit der Zeit und Anzahl der Schüsse doch wieder rutschig. Deshalb lässt Hans Braun auch niemanden mit Gummistiefeln aufs Eis. „Alles schon vorgekommen“, sagt er.
Vier Stöcke, vier Scheiben und wer der Daube am nächsten kommt gewinnt: Ein Spiel besteht aus sechs Kehren. Emotionen gehören dazu. Auch mal, eine Runde auszusetzen und sich bei Ramin am Kiosk einen Kaffee mit frischgebackenem Croissant, belegten Semmeln oder Würstl zu stärken.
Probieren geht zwar über Studieren – doch spätestens bei der Eisstockkunde wird klar: Der Sport ist eine Wissenschaft für sich: gefühlt tausenderlei Platten mit unterschiedlichen Eigenschaften, dazu diverse Krickerl (Stiel), Stock (Körper), Friktionsscheibe, Daube, Plattenständer („Tragl“) … Puh! Und jeder Schuss benötigt – je nach Eis (das muss man nämlich auch noch analysiert haben) eine andere Scheibe, „Es braucht Jahre, bis man seine perfekte Ausrüstung hat“, erzählt Hans Braun. Jede Taktik erfordert zudem eine andere Bewegung und Auflage des Stocks auf dem Eis. Das Trudeln ist zum Beispiel beim Profi Absicht (der Stock findet wundersamerweise exakt sein Ziel), beim Laien eher nicht (ups – falsche Bahn).
Wer diese athletische Sportart, in der neben Technik und Ausdauer auch mentale Stärke gefragt sind, beherrschen will, muss jedenfalls viel trainieren. Und das ist eben nicht so einfach. Denn vielen Stadien ist die Eisbereitung zu teuer geworden. Nach dem Training muss es ja wieder schön glatt gemacht werden für die Schlittschuhläufer. Und immer mehr schließen wegen der hohen Energiekosten. Das erklärt zumindest auch die hohe Anzahl von professionellen Sportlern in Germering.
Das Training hier ist aber auch zugleich ein Turnier. Seit 1962 findet es statt – seit Anfang der 1980er Jahre im damals neuen Polarium. „Bis in die 1990er Jahre waren sogar bis zu 30 Bundesligamannschaften hier, deshalb galt das Mittwochsturnier als Bundesliga-Vorbereitung“, erzählt Hans Braun. Diese Gelegenheit lässt sich heute auch Kevin Kronewetter nicht entgehen. Der 32-jährige Kärntner, Mitglied der Österreichischen Nationalmannschaft und Weltmeister 2025, der in München wohnt, ist natürlich eine hohe Messlatte, an der sich der Laie besser nicht versucht. Allein ihm zuzuschauen ist aber spannend, ebenso wie bei Marco Rossberger. Der 24-jährige Regensburger war schon in der Jugend Vizeweltmeister.
Motivation sind die beiden und all die anderen aber allemal, es weiterhin zu versuchen. Hans Braun lacht. „Unser ältester Teilnehmer war über 90 Jahre alt!“ – Na, dann ist es ja noch nicht zu spät.
Mehr Kraft als auf dem Asphalt braucht das Eisstockschießen: 30 Meter gilt es zu überwinden. Für eine „saubere Auflage.“ benötigt der Schütze neben dem perfekt ausgewählten Material Technik, Körperkontrolle und Konzentration. „Außerdem muss er das Eis lesen können“, erklärt Hans Braun. „Denn nicht jedes Eis ist gleich und Schnee auf der Bahn frisst den Stock.“
Öffentliches Eisstockschießen jeden Mittwoch, 8 bis 13.30 Uhr; Öffentlicher Eislauf Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 10 bis 12 Uhr und 14.30 bis 16.30 Uhr, Mittwoch 14.30 bis 16.30 Uhr, Samstag, 14 bis 16 Uhr, Sonntag 10 bis 12 und 15 bis 17 Uhr
www.stadtwerke-germering.de/eissporthalle

