Eine Familie, ein Beruf: Fast 400 Jahre Müller – seit 125 Jahren in der Furthmühle
Fotos: Corinna Eichberger-Renneisen / Privat – Text: Petra Neumaier
Der Tag beginnt an diesem Morgen für Albert Aumüller früh. Denn um 7.15 Uhr klingelt das Telefon: Einem Bäcker in Odelzhausen ist über die Feiertage das Roggenmehl ausgegangen – der 74-Jährige ist schon unterwegs. Noch vor dem Füttern seiner Hühner sowie dem Frühstück, das bei ihm erst nach den ersten Arbeiten erfolgt. Zu tun gibt es reichlich, und bis auf die Nacht, in der Furthmühle, die seit genau 125 Jahren in dritter Generation von seiner Familie betrieben wird.
Dienstag, Donnerstag und Freitag öffnet Albert Aumüller von 9 bis 12.30 Uhr und 14 bis 18 Uhr seinen Mühlenladen. Der fleißige Müller ist zudem ein wandelndes (Geschichts-) Lexikon und kann wunderbar erzählen!
Kurz ist das Frühstück, dann ist der Müller schon wieder weg. Während seine Frau Theresa mit Kommunionkindern Semmeln backt, lässt er die Mühle für die anschließende Führung warmlaufen. Er dreht hier, zieht dort, kontrolliert mit geübtem Griff an verschiedenen Stellen. Später wird der Egenhofener in seinem hübschen Mühlenladen stehen – und in jedem freien Moment im Sägewerk. Dort, an der über 100 Jahre alten Maschine, schleift er dann die Sägeblätter, um abends neue Dachlatten für sein Wohnhaus zu fertigen. Selbst ist der Mann – und ein Aumüller sowieso.
Die Mühle ist sein Leben. Und das Müller- und Sägehandwerk steckt in seinem Blut: Beurkundet ist es in seiner Familie seit 1642. Damals betrieben die Vorfahren die Mühle in Wildenroth an der Amper. Nachfahren ließen sich in Emmering und Überacker nieder.
Familie Aumüller südlich des Wohnhauses 1910
Auch Großvater Johann (1878 bis 1958), der als Vollwaise bei der Tante in Egenburg aufwuchs, lernte den Beruf des Müllers. Bis in die Schweiz ging er auf die Walz und pachtete, mit nur 22 Jahren, am 1. November 1900, die Furthmühle. Schon im Jahr darauf investierte der jung Verheiratete in eine „innovative“ Säge. Begeistert von moderner Technik, schaffte er sich eine Dampfmaschine und einen Elektromotor an: Die Furthmühle war 1914 das erste Gebäude im weiten Umkreis, das Strom hatte. In Odelzhausen gab es den erst 1921.
Im Ersten Weltkrieg musste Johann Aumüller Frau und sieben Kinder allein lassen. „Qualvolle“ Jahre, wie er an einem Sparren im Dachgeschoss der Mühle mit blauer Kreide vermerkte – heute noch lesbar, wie viele andere Inschriften aus verschiedenen Epochen.
Als dem Eigentümer der Mühle durch die Regulierung der Glonn regelrecht das „Wasser abgegraben“ wurde (das sumpfige Tal sollte aufgrund der großen Hungersnöte nach dem Krieg für die Landwirtschaft nutzbar gemacht werden), kaufte Johann Aumüller 1919 Mühle und Anwesen für günstige 80.000 Reichsmark ab. 1926/27 wurde die Weizenmühle von Johann Aumüller und seinen Söhnen Xaver und Albert modernisiert. Damit war es möglich, gute Qualitäten und größere Mengen, auch für weiter entfernte Bäckerkunden, herzustellen.
Das Müllerhandwerk war eins ein hochangesehenes Gewerbe. Bei der Stadterhebung von Fürstenfeldbruck 1935 waren die Aumüllers mit einem eigenen Festwagen dabei.
Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ Spuren: Xaver wurde eingezogen und starb. Sein Bruder Albert, der lieber Mechaniker geworden wäre, musste als Müllermeister übernehmen. Es gab alle Hände voll zu tun. Denn während des Wiederaufbaus wuchs neben dem Bedarf an der Mühle auch der an der Säge enorm an. Mit 19 Beschäftigten zählte die Furthmühle zu den größten Betrieben der Region
1949 heiratete Albert Aumüller die Müllerstochter Anna Plonner – im Jahr darauf kam Albert (jun.) zur Welt. Im Jahr, als der Großvater starb (1958), verließ auch der letzte Lehrling als Geselle die Furthmühle, und die erste „Mühlenstillegungsaktion“ drohte: Aufgabewillige Betriebe wurden abgefunden. Dies bewog Albert Aumüller (sen.), den Schwerpunkt des Einkommens auf die Landwirtschaft zu verlegen. 1960 wurde ein neues Stallgebäude errichtet, die Getreide- und Sägemühle wurden trotzdem weiterhin in Betrieb gehalten.
1968 übernachteten Angehörige der Bundeswehr während eines Manövers in der Mühle (Albert Aumüller jun. zweiter von rechts).
Nach der Volksschule ging sein Sohn in Günding in die Müllerlehre. „Schon damals hieß es: Was will er mit dem aussterbenden Beruf anfangen?“, erinnert sich Albert Aumüller (jun.). 1971 machte er seinen Meister, übernahm mit 22 Jahren die Furthmühle und heiratete zwei Jahre später (1974) Theresia aus Baindlkirch.
Haus und Mühle waren da schon mehr als sanierungsbedürftig. Überall blätterte der Putz, der Wind pfiff durch alle Dachsparren. Durch einen Zufall entdeckte der frühere Kreisbaumeister Schulz mit einem Referenten des Denkmalschutzamts das einmalige Ensemble. 1977 wurde es auf die Liste als äußerst schützens- und erhaltungswürdiges Gebäude gesetzt. Doch es dauerte bis 1984, bis die Renovierung des zum Teil schon einsturzgefährdeten Gebäudes genehmigt wurde. Die Familie Aumüller half tatkräftig und arbeitete in ihrer Säge mit, um Kosten zu reduzieren.
Ein Vertrag mit dem Landkreis, der dem Müller ein Entgelt zubilligte, sicherte den Betrieb als öffentlich zugängliches Museum. Neben dem Mehlmahlen hielten jetzt Albert Aumüller unzählige Führungen auf Trab. Denn aus dem gesamten In- und Ausland kamen die Besucher zu dem einzigartigen, noch in Betrieb befindlichen Technikdenkmal: Schulklassen und Kollegen aus Japan, Touristen aus Amerika und Afrika, Technikbegeisterte aus aller Welt, die hier Walzen in Aktion sahen, die älter sind als die im Deutschen Museum. Allein 27-mal wurde zudem das jährliche Mühlenfest gefeiert. Im Museum, das 2004 eröffnet wurde, erzählten liebevoll arrangierte Exponate ihre Geschichten. Mit einer Gruppe Juristen, die Lust auf Kaffee und Kuchen hatten, begann auch das legendäre Mühlencafé von Resi Aumüller und ihren sagenhaften Torten.
Doch der Skandal der Großbäckerei Müller 2009 zog seinen Kreis bis nach Egenhofen: Die nun akribische Lebensmittelkontrolle untersagte den Verkauf des beliebten Mehls, weil es durch Holz- und nicht vorschriftsmäßig durch Stahlrohre in die Säcke fiel. Fortan durfte der Müller nur noch das Futter für seine Hühner mahlen.
2023 endete der Pachtvertrag, den das Landratsamt nicht mehr erneuern wollte, und damit die Ära des Mühlenmuseums gänzlich. Der Förderverein, gegründet im Jahr 1992, löste sich auf. Allein aufgrund der Versicherungspflicht, die Albert Aumüller privat hätte übernehmen müssen, konnte er die Mühle und das Museum nicht mehr für die Öffentlichkeit öffnen. Seitdem finden nur noch Führungen und das Semmelbacken für Kindergruppen auf Anmeldung statt. Musik und Kabarett, organisiert von „Kult A8“, werden hier mehrmals im Jahr aufgeführt. Das Café und der Garten für Hochzeiten und Geburtstage vermietet.
Das Ende der (Au-)Müllerschen Historie in Egenhofen?
Sehr stolz sind Albert und Theresia Aumüller (in der Tür) auf ihre große Familie (v.li.): die Enkel Lorenz (8), Peter (10) und Ida (10); Susanne, Frau von Robert (Sohn); Stefan und Michael (Söhne); Jenny (Frau von Michael), Enkel Johann (13) sowie Bernd Hornung (Partner von Stefan). Dazu gehört natürlich auch Hund Maxl.
Albert Aumüller wird nach rund 400 Jahren vermutlich der letzte Müller in der Familiengeschichte sein. Seinen drei Söhnen billigte er die freie Entscheidung zur Berufswahl zu: Einer wurde Arzt, der andere Lehrer, der dritte ist Betriebswirt. In ihrer Freizeit sind sie jedoch meist zur Stelle, denn ihnen liegt die Mühle ebenso am Herzen. Gerne hätten sie die Mühle weitergeführt, wenn der Vertrag mit dem Landkreis erneuert worden wäre. „Die Furthmühle soll zumindest in Familienbesitz bleiben“, versichert Robert Aumüller, der sich – wie seine Brüder – auch dem Bildungsauftrag verpflichtet fühlt. „Wir sind deshalb nach wie vor für Gespräche offen.“
Die Furthmühle
1158 erstmals erwähnt als Schenkung an das Kloster St. Ulrich und Afra zu Augsburg als „Wagenfurthmühle“
1818 Pächter Felix Schilling
1820 „Die herrschaftliche Furthmühle“ wird der Pfarrei Egenhofen „einverleibt“
1826 Freiherr Ruffini verkauft die gesamte Hofmark Weyern und die Furthmühle an den Freiherrn Karl Ludwig von Lotzbeck
1828 Neubau als Hofmarksmühle (Architekt: Jean Baptiste Metivier) mit Walm und Schopfwalmdach, hohen Rundbogenfenstern und einem umlaufenden Kranzgesims und mit vier Gewerken: eine Malz-, eine Öl-, eine Getreide- und eine Schneidmühle.
1854 bis 1896 Pächter Jakob Stückl und Benedikt Kott
1895 Die Lotzbecksche Güteradminstration will die Mühle selbst führen – wegen schlechter Ernten und der veralteten Mühleneinrichtung gelingt dies nicht.
Umbau nach Plänen des mühlentechnischen Instituts Chron und Roeder aus München
1900 Johann Aumüller pachtet die Furthmühle
1902 bis 1903 Modernisierung der Sägemühle und einer der beiden Augsburger Hochgänge
1984 bis 1989 Sanierung der Mühle und des angrenzenden Sägewerks für 1,7 Millionen DM
Öffnungszeiten Mühlenladen: Dienstag, Donnerstag und Freitag 9 bis 12.30 Uhr und 14 bis 18 Uhr – Verkauf auch samstags auf dem Bauernmarkt in Fürstenfeld
Zitat:
„Im Zusammenklang von Geschichte, landschaftlicher Lage, baukörperlicher Wirkung, und funktionierendem, klassischen Maschinenbau ist die Furthmühle ein einzigartiges Denkmal des Müllergewerbes." (Prof. Wilhelm Ruckdeschl, ehem. Leiter des Instituts für Technikgeschichte an der FH Augsburg
Mögliche Bildtexte:
Drei Generationen heute: (v. li.vorne ) Ida (10 ), Peter Michael (10), Lorenz (8). (hinten) Johann Franz (13), Michael, Jenny, Bernd Hornung, Stefan, Susanne und Robert, Albert und Therese Aumüller) und Max, der Hund
Mehrfach wurden in der Mühle von Albert Aumüller Fernsehdokumentationen gedreht – 2019 erhielt sie den Bayerischen Heimatpreis. Denn die Furthmühle ist bezüglich Alter, Zustand und Funktion einmalig in Deutschland und zog zuletzt bis zu 9000 Besucher an den Wochenenden an.
Fünf Jahre dauerte es, bis aus der (Fast-)Ruine das einzigartige Kleinod wurde. Neue Fundamente mussten gesetzt, unzählige Balken ausgetauscht werden. „Es ist schon fast ein Wunder, wie schön alles geworden ist“, wundert sich Albert Aumüller heute noch. Sein Vater, der bis ins hohe Alter noch selbst bei der Sanierung half, erlebte das Ende jedoch nicht: zwei Jahre vor der Fertigstellung starb er.
Die Mühle befindet sich hinsichtlich des Mahlwerks weitgehend in ursprünglichem Zustand, ist voll funktionsfähig und wurde bis 2012 zur Herstellung von Mehl verwendet. Sie stellt damit ein einzigartiges technisches Denkmal dar.
Das Müllerhandwerk war einst ein hochangesehenes Gewerbe. Bei der Stadterhebung von Fürstenfeldbruck 1935 waren die Aumüllers mit einem eigenen Festwagen dabei.
Die Werkstatt und der Fahrstuhl sind in der Mühle noch in Gebrauch
Die Großeltern von Albert Aumüller, 1910, südlich des Wohnhauses.